Spielbericht 1. Bundesliga – Runde 12 – Herzschlagfinale gegen die SF Deizisau
von Benedict Krause
Nach unserer deutlichen Niederlage am Vortag gegen die OSG Baden-Baden wollten wir uns in diesem richtungsweisenden Match gegen die SF Deizisau in eine gute Ausgangsposition vor dem finalen Wochenende der Schachbundesliga in Deggendorf bringen. Wie bei uns und bei vielen weiteren Mannschaften der Liga weilten einige starke Spieler bei der Europameisterschaft, weshalb sich an den ersten vier Brettern ein nominell ausgeglichenes Match ergab. Aber Deizisau hat als Top-Mannschaft einen sehr ausgewogenen Kader und die Spieler Rustem Dautov, Alexander Graf, Michal Krasenkow und Zdenko Kozul an den Brettern 5 bis 8 hatten allesamt schon eine Elozahl jenseits der 2630. Wir benötigten also die eine oder andere Überraschung, um mithalten zu können, aber die Aussicht auf den vorzeitigen Klassenerhalt motivierte uns natürlich besonders:
Im Gegensatz zum Vortag, als meine Partie am längsten dauerte, war ich am Sonntag als erster Spieler unseres Teams bei den Fans im Analyseraum, um die Matchsituation zu diskutieren. Das lag allerdings nicht an einem Kurzremis, sondern an den vielen langen Partien, die sich in diesem umkämpften Match abspielten. In meiner Schwarzpartie versuchte mein Gegner Alexander Graf in einer aktuell häufig diskutierten Anti-Grünfeld-Variante, einen leichten Vorteil zu erlangen. Aber ich konnte die Initiative nach und nach neutralisieren, bis ein remises Bauernendspiel auf dem Brett stand: 0,5-0,5.
In Führung brachte uns dann Bartosz mit einer brillanten Weißpartie gegen Jules Moussard. Dieser wählte eine bei Top-Spielern beliebte Remisvariante. Bartosz baute aber nach und nach immer mehr Druck auf, sodass sich Jules Moussard dem taktischen Überfall auf seinen in der Mitte gebliebenen König hilflos gegenüber sah. Bartosz vollendete souverän und brachte uns erstmals in Führung: 1,5-0,5.
Anschließend hielt auch Martin mit Schwarz gegen Zdenko Kozul an Brett 8 überzeugend das Remis. Martin war gut aus der Eröffnung gekommen und hätte mit beispielsweise 14…a5 schon das Heft des Handelns in die Hand nehmen können. In der Partie tauschte er stattdessen kurz darauf in eine Stellung mit ungleichfarbigen Läufern ab, in der Weiß jedoch einen Bauern gewinnen konnte. Zdenko Kozul gelang es hierbei jedoch nicht, relevantes Material auf dem Brett zu lassen. Ohne Schwerfiguren und nur mit ungleichfarbigen Läufern hatte Martin keine Mühe, das Remis über die Bühne zu bringen: 2-1.
Mit dem Ende der nächsten beiden Partien verwandelte sich unsere Führung in einen Rückstand, der uns jedoch nicht aus der Ruhe brachte. Zunächst verlor Johan Sebastian mit Schwarz gegen Tamas Banusz. In einem interessanten Londoner System stand Weiß immer etwas angenehmer, aber mit 22…Dd6 unterlief Johan-Sebastian ein folgenschwerer Fehler. Eventuell sah er nach 23.e5 fxe5 nur die Antwort 24.Sxe5, nach der Schwarz in Ordnung steht. Tamas Banusz spielte jedoch 24.dxe5, transferierte einen Springer nach f6 und gewann eine mustergültige Partie: 2-2.
Für unseren Rückstand sorgte dann Abhijeet Gupta mit Weiß gegen Igor. Igor hatte mit Schwarz einen Isolani und daher aus der Eröffnung heraus einen leichten Nachteil, der sich durch das gesamte Mittelspiel zog. Im Übergang ins Endspiel verdichtete sich dieser Nachteil in eine Verluststellung. Urplötzlich gab Abhijeet Gupta Igor eine Chance, zurück in die Partie zu kommen, die jedoch ungenutzt blieb. Das anschließende Endspiel bot dann leider keine Remischancen mehr: 2-3.
Eine komplizierte Partie spielte auch Frank an Brett 7 mit Weiß gegen Michal Krasenkow. Dieser wählte einen riskanten Aufbau mit …g6 und …c6, gegen den Frank eine angenehme Stellung erhielt. Schwarz glich die Stellung zwar zunächst aus, aber geriet nach einem ungünstigen Manöver im Zentrum erneut in Nachteil. Leider sah Frank den entscheidenden Zug 26.c6!, der zu einer vorteilhaften Stellung geführt hätte, nicht, sodass die Partie in ein ausgeglichenes Endspiel mündete. In diesem musste Frank zwar noch eine Weile aufpassen, was ihm aber problemlos gelang: 2,5-3,5.
Trotz dieses Rückstandes hatten wir unsere Hoffnung auf Mannschaftspunkte noch nicht verloren. Einer der beiden Gründe bestand in der Partie von David gegen die ehemalige Nummer 4 der Weltrangliste Gata Kamsky. Doch an diesem Tag übernahm David mit Weiß früh das Kommando. Gata Kamsky opferte in einem Spanier mit …b3 einen Bauern, um das Läuferpaar zu erhalten, aber dieses zielte trotz der Öffnung des Zentrums zunächst ins Leere. David verwertete die Stellung jedoch nicht optimal und gab den Bauern für ein leicht angenehmeres Endspiel zurück. Dieses spielte er wiederum mustergültig und lies seinem Gegner keine Chance, zurück in die Partie zu kommen: 3,5-3,5.
Für das Herzschlagfinale in diesem Match sorgte dann unser langjähriger Stammspieler Aljoscha. In seiner Weißpartie hatte er Rustem Dautov im Panow-Angriff der Caro-Kann-Verteidigung früh mit 6.c5 und 7.Lb5+ überrascht. Im Anschluss entwickelte sich das für dieses Manöver typische Spiel, bei dem Weiß am Damenflügel dominiert, während Schwarz den Vormarsch am Königsflügel sucht. Genau im richtigen Moment opferte Aljoscha dann die Qualität auf e6, sammelte den d5-Bauern ein und wich einer Zugwiederholung aus. Im Anschluss konnte er noch vor der Zeitkontrolle in ein Endspiel mit Springer und sechs Bauern gegen Turm und drei Bauern abtauschen. Die Engine zeigte hier eine fast gewonnene Stellung an, die am Brett aber schwierig zu verwerten war. In einer dramatischen zweiten Zeitnotphase wechselte das Pendel zwischen siegbringendem Vorteil und Ausgleich hin und her. Zur Freude der Heimfans erreichte Aljoscha schlussendlich eine Gewinnstellung und seinem Gegner blieb nur die Aufgabe: 4,5-3,5!
Jubel brandete im Turniersaal auf und die gesamte Mannschaft sowie Fangemeinde konnten sich freuen. Denn dieser Sieg sorgt nicht nur für 2 Mannschaftspunkte, sondern sorgt auch für den so gut wie sicheren Klassenerhalt in der Schachbundesliga. Damit uns hier noch etwas in die Quere kommt, müssten einige Top-Teams gegen Abstiegskandidaten straucheln und wir dürften zudem auch nicht mehr punkten. Alles sehr unwahrscheinlich, aber trotzdem werden wir in Deggendorf als Team alles geben, um dann auch rechnerisch den Verbleib in Liga 1 klar zu machen. Bis dahin verabschiede ich mich von euch und hoffe, dass ich viele St. Paulianer in Deggendorf wiedersehe!
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