Bericht und Partiekommentare von Benedict Krause
Am Samstag, den 11. Januar, war es so weit: Magnus Carlsen saß gegen die SG Solingen das erste Mal für uns am Brett. Aber dieses Event begann nicht mit dem Start der Partien am Samstag, sondern weit vorher mit den Planungen für das Wochenende. Nach der Zusage von Magnus machten sich zahlreiche Mitglieder unseres Vereins unter anderem an die Organisation der Liveübertragungen, des Ticketverkaufs, des Caterings, der Kommunikation mit Presseteams und des Meet and Greets am Sonntag. Das Produkt dieser wochenlangen Anstrengungen konnte sich aber durchaus sehen lassen, als die Spieler, Organisatoren, Betreuer, Zuschauer und Kamerateams am Samstag das Brahms Kontor in Hamburg betraten. Für mich als Mannschaftskapitän ging es an diesem Tag aber ausnahmsweise nicht darum, selbst Punkte für die Mannschaft zu sammeln, sondern gemeinsam mit Fiona Steil-Antoni im Livestream auf dem YouTube-Hauptkanal des FC St. Pauli die Partien unserer Mannschaft zu kommentieren. Doch auch dort war noch eine gewisse Anspannung vorhanden, die sich jedoch schnell legen sollte, nachdem der Wettkampf für uns gut begann:
Den Anfang machte Magnus an Brett 1 mit Schwarz gegen das niederländische Talent Max Warmerdam. Nachdem er sich zunächst mehr als 5 Minuten für seine Antwort auf den Zug 1.c4 Zeit nahm, folgten die weiteren Züge deutlich schneller und es wurde klar, dass er mit Zugumstellung einen Königsinder gegen den g3-Aufbau seines Gegners angestrebt hatte. Dort wählte Magnus einen riskanten Vorstoß im Zentrum, nach dem Weiß eine vorteilhafte, aber zweischneidige Stellung hätte erreichen können. Vielleicht begründet durch eine Fehleinschätzung oder durch den Respekt vor dem namenhaften Gegner zog sich Max Warmerdam jedoch passiv zurück und wurde in der Folge zielstrebig auf dem Brett und auf der Uhr von Magnus überspielt.
Diese überzeugende Leistung brachte uns mit 1-0 in Führung und sorgte für Rückenwind, der im weiteren Verlauf auch in den restlichen Partien sichtbar wurde: Als nächstes gewann Peter Heine Nielsen seine Schwarzpartie gegen Alexander Krastev. Nach mehreren Jahren ohne Turnierpartie war ihm die Nervosität durchaus anzumerken, aber er machte seine Sache mehr als souverän. Objektiv konnte Weiß lange Zeit eine etwas bessere Stellung verbuchen, aber ein Plan zur Umsetzung dieses Vorteils war nicht leicht auszumachen. Als Alexander Krastev dann aktiv wurde, konterte Peter Heine ihn aus und gewann mit einem Trick entscheidendes Material zur 2-0 Führung.
Anschließend sorgte Aljoscha mit einem Weißremis gegen Alexander Naumann für einen weiteren halben Punkt. In einer soliden Schottisch-Variante wurden früh die Damen getauscht und die Stellung blieb anschließend bis zum Friedensschluss im 25. Zug im Gleichgewicht.
Schottisch kam auch bei der Partie meines langjährigen Teamkollegen Bartosz Socko gegen Surya Shekhar Ganguly aufs Brett. Seine Stellung schien früh aussichtsreich zu sein und als er die Stellung mit dem aktiven Zug f5! öffnete, sammelte er noch vor der Zeitkontrolle eine Figur ein. Sein Gegner wehrte sich zwar anschließend noch eine ganze Weile, aber Bartosz ließ an dem Ergebnis der Partie keine Zweifel mehr aufkommen, sodass wir mit 3,5-0,5 in Führung gingen.
Den Mannschaftssieg brachte uns dann der überzeugende Weißsieg von Jonas Bjerre gegen seinen dänischen Freund Mads Andersen. In einem Spanier spielte sich Jonas einen kleinen Vorteil heraus, den er in einer langen Partie erst in einen Mehrbauern und anschließend in einen vollen Punkt verwerten konnte. Wer von den Lesern selbst gerne Spanisch spielt, sollte sich diese Partie auf jeden Fall näher anschauen, denn einige Manöver sind sehr instruktiv.
Es blieben also noch drei weitere Partien, die über die Höhe unseres Sieges entscheiden würden. Hierbei endete zunächst das Turmendspiel von Marc’Andria gegen Loek van Wely. In der Eröffnung zeigte Marc’Andria eine hervorragende Vorbereitung und erkämpfte sich mit Schwarz direkt eine leichte Initiative. Nach einer gegenseitigen Zeitnot zeichnete sich dann ein Turmendspiel mit Mehrbauern ab, das für Loek van Wely sehr unangenehm zu sein schien. Doch möglicherweise verpasste unser Spieler mit 45…g5!? eine gute Gewinnchance und musste sich anschließend der präzisen Verteidigung seines Gegners beugen.
Eine Partie, in der wir uns früh Sorgen machen mussten, schien die von Johan-Sebastian zu sein. Markus Ragger setzte den schwarzen König mit g4 und h4 unter Druck, was Johan-Sebastian zu einer schwierigen Verteidigungsaufgabe zwang. Diese bewältigte er allerdings souverän und nach der Zeitkontrolle konnte er die Partie mit einem schönen Qualitätsopfer retten. Dass hier sogar kurzzeitig mehr drin war, konnten er und die Mannschaft daher gut verkraften.
Die letzte Partie des Wettkampfes spielte sich zwischen David und Erwin L’Ami ab. Wie David uns am nächsten Tag noch berichtete, tat er sich bereits in der Vergangenheit sehr schwer gegen seinen Gegner. Leider sollte dieser Tag keine Ausnahme sein, auch wenn er mit leichtem Vorteil aus der Eröffnung kam. Bei der Suche nach einem Plan verbrauchte er jedoch zu viel Zeit. Als Erwin L’Ami dann eine Qualität opferte, konnte David die Stellung leider nicht mehr zusammenhalten. Er kämpfte zwar noch lange weiter, aber die Niederlage war nicht mehr zu verhindern.
Insgesamt konnten wir damit einen 5,5-2,5 Sieg einfahren, der im Kampf um den Klassenerhalt besonders wichtig sein wird. Beim gemeinsamen Abendessen mit Spielern und weiteren Vereinsmitgliedern schauten wir also erwartungsvoll auf den nächsten Tag, der für uns ein Spitzenduell mit dem Meisterschaftsfavoriten um Wei Yi und den Bundestrainer Jan Gustafsson bereithalten sollte.
Alle kommentierten Partien: https://lichess.org/study/nZXbgIzR/AKXFJF4U