Ein Saisonfazit von Jonah Krause.
Wenn ich nun mit etwas Abstand auf unsere abgelaufene Zweitligasaison zurückblicke, überwiegt noch immer die Erleichterung, dass wir uns (wieder einmal) im letzten Saisondrittel gerade noch rechtzeitig steigern und so den Abstieg in die Oberliga und (aus meiner Sicht fast noch wichtiger) den damit verbundenen Zwangsabstieg der an unserer wackligen Saison absolut unschuldigen zweiten Mannschaft verhindern konnten. Dass wir die Saison wie im Jahr zuvor doch noch mit mehr als 50 Prozent der Mannschafts- und Brettpunkte beendet haben und damit in der oberen Tabellenhälfte gelandet sind, täuscht dabei darüber hinweg, dass wir über weite Teile der Saison alles andere als souverän agiert haben und ich einen Abstieg nach dem zweiten Saisondrittel für a) wahrscheinlich und b) absolut verdient gehalten habe.
Doch der Reihe nach:
In die Spielzeit sind wir nach der großartigen Rettung am letzten Doppelwochenende der Vorsaison mit 4 Punkten aus den beiden letzten Kämpfen am Millerntor mit viel Selbstbewusstsein gegangen. Abgänge hatten wir keine zu beklagen, konnten aber mit Igor, der sich schachlich und vor allem auch menschlich super eingefügt hat, ein neues Brett 2 willkommen heißen. Ein Blick auf die Aufstellungen der Konkurrenz vor der Saison machte aber auch deutlich, dass es anders als in den Vorjahren kaum Bewerber für die Abstiegsplätze geben würde. Einzig Norderstedt fiel etwas ab, während alle anderen Mannschaften in der Lage waren, bis an die letzten Bretter Spieler mit 2300+ aufzubieten. Trotzdem konnten wir (wenn mich nicht alles täuscht, zum Nachrechnen war ich zu faul) über die Saison die Mannschaft mit der höchsten Durchschnittselo an die Bretter bringen. Aber nicht nur der Kampf um die Abstiegsplätze versprach intensiv zu werden: Es war ebenfalls schwierig, einen Aufstiegsfavoriten ausfindig zu machen. Da auch die 4 Zweitvertretungen potenziell in der Verlosung waren, um eventuell die jeweilige erste Mannschaft in der Bundesliga stützen zu können, kam weit mehr als die halbe Liga als potenzielle Aufstiegsbewerber in Betracht, während keine Mannschaft sich vor Saisonbeginn auf den Klassenerhalt verlassen konnte.
Das sollte man zumindest meinen und ich bin mir sicher, dass die meisten Mannschaften mit dieser Einstellung in die Saison gegangen sind. Bei uns hingegen war ich vor dem ersten Doppelspieltag etwas verwundert, da der Begriff „Aufstieg“ schon weit vor dem ersten gespielten Zug überall kursierte und der allgemeine Tenor zu sein schien, dass jeder Blick nach unten in der Tabelle nur vergeudete Zeit sei. Wenn man bedenkt, wie die Saison tatsächlich verlief, sollten wir in Zukunft vielleicht an der einen oder anderen Stelle mit etwas mehr Demut zur Sache gehen.
Zumindest der erste Doppelspieltag gab dann allerdings auch keinen Anlass den Optimismus zu zügeln. Sowohl gegen Norderstedt als auch gegen Kiel gelangen uns Siege, die an keiner Stelle gefährdet waren. Norderstedt war bei unserem Auftaktspiel mit einem 6-2 noch gut bedient und bei Doppelbauer Kiel schien sich die junge, neu zusammengewürfelte Mannschaft erst einmal finden zu müssen. Doch schon am zweiten Wochenende Ende November zogen die ersten dunklen Wolken auf. Unsere Niederlage gegen Rüdersdorf konnte man mit viel Wohlwollen als etwas unglücklich abstempeln. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass wir keine Partie gewinnen konnte und es durchaus Fantasie bedarf, um den fehlenden Brettpunkt zum Unentschieden in den Partien zu finden. Ebenso ernüchternd verlief der Sonntag. Zwar konnten wir beim 4-4 gegen die SF Berlin 2 immerhin einen Mannschaftspunkt mitnehmen, allerdings bewegten wir uns hier deutlich auf der dünneren Seite des Eises. 0/3 an den letzten Brettern inklusive einer Schwarzpartie von mir, in der ich im Sizilianer bei eigener kurzer Rochade den g-Bauern einstellte, zeigten deutlich genug, dass es viel Luft nach oben gab.
Wir gingen also mit 5 von 8 möglichen Mannschaftspunkten ins neue Jahr und trotz des ernüchternden Heimwochenendes Ende des Jahres gab es durchaus Grund zu Optimismus: Immer noch hatten wir vieles in der eigenen Hand, und 3-4 Mannschaftspunkte in sehr guter Aufstellung gegen ersatzgeschwächte Tegeler und Zehlendorfer würden eine sehr gute Ausgangsposition für das finale Wochenende bedeuten. Allerdings lief beim Heimwochenende des HSK (welches als tolles Event mit der Schachbundesliga gemeinsam ausgetragen wurde) alles schief, was schief laufen konnte. Unser 3,5-4,5 gegen Tegel mit durchschnittlich ca. 100 Elopunkten mehr pro Brett war der schlechteste Mannschaftskampf, den ich in meiner Zeit bei St. Pauli erlebt habe. Obwohl das Ergebnis unscheinbar aussieht und auf Pech schließen lassen könnte, verbargen sich hier Abgründe. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen (bei Interesse kann sich jeder die Partien gerne herunterladen und anschauen), reicht es zu sagen, dass ein 2-6 deutlich wahrscheinlicher war als ein 4-4. Während wir also am Samstag hochverdient verloren hatten, steigerten wir uns am Sonntag, konnten aber trotz Elovorteilen nur eine erneute 3,5-4,5 Niederlage unterzeichnen.
Nach diesen Kämpfen hatten wir 3 Wochen Zeit, um uns vor unserem Einzelspieltag zu sammeln und eine Bestandsaufnahme zu machen. Diese fiel wie erwartet ausgesprochen ernüchternd aus. Trotz der asymmetrischen Tabelle, in der alle Teams hinter uns ein Spiel weniger absolviert hatten, waren wir punktgleich mit einem direkten Abstiegsplatz. Hinzu kam, dass wir gegen den HSK ohne unsere drei Polen antreten und daher bei der zweiten Mannschaft wildern mussten. Auch hier begann der Wettkampf denkbar schlecht und wir lagen nach 2 Niederlagen früh zurück. Allerdings ging danach ein Ruck durch die Mannschaft und Patrick, Benedict und Aljoscha konnten alle sehr sehenswert gewinnen und den Wettkampf tatsächlich noch umbiegen.
Trotz dessen war die Lage vor den abschließenden Runden in Hannover alles andere als entspannt. Da Norderstedt etwas abgeschlagen war und die Punkte ansonsten sehr ausgeglichen verteilt waren, waren durchaus Szenarien vorstellbar, in denen man mit 9 Mannschaftspunkten absteigen konnte. Da unsere Brettpunkte aber relativ gut waren, konnte man davon ausgehen, dass uns ein Sieg aus den Spielen gegen Bremen und Hannover zum Klassenerhalt reichen würde. Und tatsächlich wurde am Samstag gegen Werder dann gekratzt und gefightet. Dann über 6 Stunden konnte Bartosz sein Endspiel beinahe studienartig zum Sieg führen und dank der Ergebnisse auf den anderen Plätzen waren wir bereits eine Runde vor Schluss gerettet. Gegen den HSK Lister Turm erwartete uns nun am Sonntag noch eine Dreingabe, die sogar noch theoretische Aufstiegschancen barg. Diese machte Rüdersdorf durch einen Sieg gegen SF Berlin 2 jedoch zunichte, sodass es für uns nur noch um eine möglichst gute Platzierung ging. Nach einigem Licht und Schatten trennten wir uns mit 4-4, wodurch Hannover auf dem dritten Platz landete und wir uns als fünfter einreihten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir gut gestartet sind und uns im richtigen Moment zusammengerissen haben und uns als Mannschaft zum letztlich wohl verdienten Klassenerhalt gekämpft haben. Zum Nachdenken regen hingegen die Runden 3-6 an, in denen wir nicht nur in Summe lediglich einen Mannschaftspunkt geholt haben, sondern auch kaum mehr für uns drin war. Alles in allem eine Saison in Grautönen, die uns aber als Mannschaft mit Sicherheit zusammengeschweißt hat. Ich freue mich darauf, mit euch im Herbst wieder anzugreifen, Männer & Monika!
Abschließend bleibt es mir, Rüdersdorf zum Aufstieg und den HSK sowie Hannover zu starken Saisons zu beglückwünschen. Last but not least möchte ich mich stellvertretend für die ganze Mannschaft bei allen Helfern aus dem Verein bedanken, die unsere Zweitligamannschaft möglich machen, bei den Heimwochenenden helfen sowie uns so zahlreich, sogar auswärts, supporten. Vielen Dank Euch, das ist vieles, aber ganz bestimmt nicht selbstverständlich!
Und hier nochmal die Abschlußtabelle der 2. Bundesliga Nord…
… und unsere Einzelergebnisse: