Text: Frank Sawatzki
Disclaimer:
Unter u.g. Link findet man ein paar Stellungen vom Wochenende als Aufgaben verpackt. Diese öffnen über den Link im Browser und nicht die Lichess App: https://lichess.org/study/nGcdyJal/js6qdfF9
Am Freitag machte sich unsere 1. Mannschaft auf den Weg nach Heimbach Neuwied, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Koblenz.
Wir flogen und fuhren aus allen Himmelsrichtungen heran: Aus Frankreich, Korsika, Marc`Andria mit seinem Vater per Auto, per Flugzeug die Großmeister Johan-Sebastian Christiansen, Jonas Bjerre und Igor Janik, die von Oliver aus Frankfurt mitgebracht wurden, Aljoscha kam per Bahn aus dem Süden und Hajo, Giso und Frank direkt aus Hamburg.
An dieser Stelle möchte ich der Organisation durch unser Team aus dem Vorstand, allen voran Hajo und Oliver, die uns an diesem Wochenende betreuten, sehr herzlich danken.
Hajo, der uns aus Hamburg begleitete, Bahntickets, An- und Rückreise, Hotel, Taxi und vieles mehr organisierte. Oliver, der die per Flugzeug angereisten GMs in Frankfurt einsammelte und nach Neuwied brachte und seit Monaten hinter den Kulissen den Kontakt zum Sponsor Weißenhaus und den Carlsens hält und die PR, inzwischen zusammen mit Alexandra, verantwortet.
Am ersten Wochenende in Dresden, wo wir gute Chancen hatten, mussten wir leider auf alle neuen Top-Spieler verzichten, und am Ende erwieß sich die Gegnerschaft doch als etwas stärker. In Neuwied waren wir vorne zwar stärker, aber Bartosz und Monika Soćko fehlten und natürlich Bene.
Am Samstag nun mussten wir in Runde 3 nun gegen den amtierenden deutschen Meister Viernheim ran. Viernheim spielte zwar auch nicht mit ihren Topleuten wie Nakamura, aber selbst ihre “Ersatzspieler” brachten am 8. Brett immer noch 2550 auf die Waage, sodass wir im Schnitt an jedem Brett im Schnitt 160 (!) Elo-Punkte weniger hatten. Als klarer Underdog verloren wir schließlich 2-6, lieferten aber einen großen Kampf und hatten durchaus Chancen.
Aljoscha hatte seinen Gegner, Amin Bassem, in einer Schottischen Partie klar überspielt und im besten Stil zwei Bauern geopfert (Diagramm links). Weiß hat für die beiden Bauern klaren Entwicklungsvorsprung und Chancen auf den schwarzen Feldern in Verbindung mit Sf6+. Auch die Dame von S steht angreifbar. Aber was nun?
Aljoscha entschied sich für 1.Sbc5 (andere Züge waren besser) und gewann in der Folge eine Figur, aber Schwarz konnte dadurch lang rochieren und schließlich sogar mit Vorteil kontern (Diagramm links nach Tde8). Der Läufer hängt und hat keine guten Rückzugsfelder, im nächsten Zug kommt f7-f5 nach Wegzug des Springers Lxc3 mit Angriff auf die Dame. Hier ist Weiß also bereits in großen Schwierigkeiten und Amin Bassem sicherte seinem Team den Punkt.
Igor wurde von Anton Korobov im Stil von Alpha 0 überspielt, (man beachte die Dame auf Dh1), der in der Diagrammstellung vorentscheidend zu 1.Sxf7! griff. Jonas wurde in einem eigentlich noch ausgeglichenen Endspiel lange von Chithambaram Aravindh geprüft und zuletzt doch noch niedergerungen. Aravindh hat gerade die magischen 2700 übersprungen.
An Brett 1 hatte Johann relativ schnell gegen Sarana remisiert, nachdem er diesen in einer kritischen Nebenvariante der Wiener Partie geprüft hatte.
Marc`Andria spielte eine auch von Teamkollege Magnus Carlsen gespielte Variante gegen Caro-Kann und hatte zumindest optisch etwas mehr vom Spiel, musste sich gegen den starken Großmeister David Anton Guijarro am Ende aber (auch) noch strecken, um zu remisieren.
Neben Aljoscha hatten wir indes gute Chancen an den Brettern 7 und 8: Jonah spielte an gegen den ehemaligen Nationalspieler Georg Meier eine gute Partie und hätte in der Diagrammstellung mit 1.Lxf5 gefolgt von 2.Dg4 starken Druck entwickeln können. Dagegen gab das naheliegende 1.Tf3 Weiß nicht viel und die Partie endete bald unentschieden – aber auch das natürlich ein toller Erfolg für Jonah, der mit 2,5/4 und einer Performanz über 2500 klar auf IM Norm Kurs ist!
Und auch Giso überspielte seinen Gegner Großmeister Tarlev im Endspiel: In der Diagrammstellung musste Weiß am Zuge zu 1.Kh2 greifen, da 1.Kf1 wegen 1…Sf4 (droht matt und e6 hängt) die Qualität verliert. Danach wurde der c-Bauern stark, für den Weiß schließlich den Springer geben und auf ein Remis im Endspiel T+S gegen T setzen musste. Nachdem Giso eine Gewinnchance verpasst hatte, endete aber auch diese Partei friedlich. Wenn man durchzählt, hätten die vergebenen Chancen mit etwas Glück also bereits zu einem 4-4 gereicht.
Ich selbst glaubte meinen Gegner in der Eröffnung überraschen zu können, aber Dennis Wagner brachte eine vermutlich ältere Vorbereitung aufs Brett und opferte in einer typisch slavischen Struktur überraschend einen Bauern. Ich hielt zunächst gut dagegen und hatte in der Diagrammstellung soeben 1.…g5 gefunden, um den Läufer nach g3 abzulenken, was auch geschah. Der Witz von …g5 ist, dass man nun nach 2…Sd7! 3.Sg6? das Schach auf a5 hat und der Läufer nicht dazwischenziehen kann. Ich hatte aber Sorge, dass er nach 2…Sd7 mittels 3.Sxc6 opfert und dann mit Lb6, Tc1 und c6 nachsetzt. Diese Sorgen waren allerdings unberechtigt.
Aus den genannten Gründen entschied ich mich statt 2…Sd7 für den zweischneidigen Zug 2…Da5?!+, der den weißen König immerhin nach d1 treibt in der Hoffnung, ggf. unter Turmopfer schnell zu rochieren und den König nach Öffnung der Stellung mit …f6 und …e5 unter Beschuss zu nehmen. Das ganze Konzept erwieß sich aber schließlich als zu riskant und trotz gewisser Gegenchancen sicherte sich der Großmeister in beiderseitiger Zeitnot schließlich den Punkt.
Trotz der Niederlage war die Stimmung am Samstagabend beim gemeinsamen Essen gut und wir blickten hoffnungsvoll auf das Match gegen den Gastgeber Neuwied. Da es am Sonntag schon um 10 losging, blieb allerdings nicht so viel Zeit zur Vorbereitung. Grundsätzlich ist die Vorbereitung Wochen im Voraus schwierig, weil jeder Kader aus max. 16 Spielern besteht; gelegentlich erlauben zeitlich angrenzende Turniere Rückschlüsse, aber es bleiben im schlechtesten Fall noch immer 6 mögliche Spieler übrig. Im Voraus ist eine punktgenaue Vorbereitung daher besonders an den hinteren Brettern fast unmöglich.
Gut vorbereitet war jedenfalls Johann, der seinen Gegner mit einer Nebenvariante in der vielgespielten katalanischen Partie überraschte und am Spitzenbrett schnell ausglich.
Jonas setze seine Gegner in einer bekannten Stellung des Londoner Systems bzw. der Abtauschvariante der Caro-Kann Verteidigung unter Druck (Diagramm). Weiß hat mehr Raum und den aktiven Läufer und daher einen kleinen, aber dauerhaften Vorteil, den Jonas schließlich in einen Gewinn umsetzte.
In der unteren Diagrammstellung oben setzte er gleich mit g2-g4 fort und gewann später.
Marc`Anria hatte in einem klassischen Damengambit mehr als ausgeglichen und sich einen soliden Vorteil herausgespielt (Diagramm), griff dann aber mit dem naheliegenden 1…Tb2 daneben (besser wäre 1…Se4 gewesen),
vermutlich, weil er den folgenden taktischen Trick übersehen hatte (nächstes Diagramm): 5.Sxb7! und Weiß gewinnt der Fesselung den Bauern mit leichtem Vorteil zurück. So kam Weiß schließlich selbst zu e3-e4 und es wurde Remis.
So verwundert es nicht, dass an 4 und 5 remisiert wurde. Dabei war es Aljoscha, der bis zuletzt noch um den Sieg des Teams kämpfte: Nachdem er in der Eröffnung einen Bauer für Kompensation gegeben hatte und sich präzise verteidigte, opferte der Gegner zuerst aus Frust einen und dann unter Druck einen zweiten Bauer, sodass Aljoscha schließlich sogar einen Mehrbauern hatte. Nach 1.Tg8 (Diagramm links) war dieser allerdings nicht zu verteidigen und nach 1. …Tf3+ 2.Ke2 Tf4 wurden die Züge wiederholt, Remis.
Jonah hatte “seinen Grünfeldinder” auf dem Brett und bald für sehr gute Kompensation die Qualität gegeben (Diagramm): Für die Qualität hat Schwarz das Läuferpaar und einen gefährlichen Freibauern auf b3 sowie Angriffschancen auf den schwarzen Feldern. Weiß gelang es schließlich aber noch zu vereinfachen und auch diese Partie endete dann remis.
Ich spielte gegen den frisch gebackenen polnischen GM Jakub Kosakowski, der auf dem Weg Richtung 2600 ist. Etwas überraschend kam die Najdorf-Variante aufs Brett.
Obwohl ich vorbereitet war, verbrauchte ich zu viel Zeit in der Eröffnungsphase und griff dann in guter, aber komplizierter Stellung 2-mal daneben und landete dann schnell in einem am Ende doch verlorenen Endspiel.
Den entscheidenden halben Punkt zum 4-4 holte dann Giso an Brett 8, der lange sehr passiv gestanden hatte, aber mit energischem Spiel seinen Gegner schließlich zu einer Zugwiederholung nötigen konnte. Für Giso war das Wochenende mit zwei Unentschieden insgesamt ein sehr guter Einstieg!
Fazit: Ein Mannschaftspunkt genügt immerhin zum 14. Platz; der Trend stimmt jedenfalls und wird im Januar in Hamburg fortgesetzt, wenn wir nacheinander Solingen und Düsseldorf erwarten.