von André van den Velde.
Ich spiele seit 38 Jahren Schach. Viele Jahre davon war ich Mannschaftsführer in unterschiedlichen Ligen. Aber so etwas wie in der 2. Runde der Stadtliga-B hatte ich zuvor noch nie erlebt. Für den Auswärtskampf beim SC Concordia, Deutscher Mannschaftsmeister von 1970, hatte ich sagenhafte 9 (!) Absagen kassiert. Jede einzelne aus guten Gründen, aber in der Summe natürlich ein absoluter Wahnsinn.
Oliver hatte im Vorfeld intensiv um eine Verlegung des Wettkampfes gebeten, aber das ging bei Concordia irgendwie nicht. Nun ja, ist halt so wie es ist. Also mussten wir irgendwie um den Reststamm der Mannschaft – Michael Welsh und meine Wenigkeit – eine halbwegs schlagkräftige Truppe auf die Beine stellen.
Und es gelang! 18 Spieler aus den Bezirksligen und der Ersatzspielerliste wurden angeschrieben, und wir hätten ex-post sogar mit 10 Spielern antreten können. Zwei Spielern musste ich dann tatsächlich leider absagen, um dann am Ende des Tages dann leider doch nur zu siebt antreten zu können: Die Lufthansa weigerte sich, Oliver rechtzeitig von München nach Hamburg zu befördern, deswegen starteten wir leider mit einem kampflosen 0:1 in den Wettstreit.
Concordia tritt mit einer recht lebensalten Mannschaft an, zahlreiche Spieler waren schon 1970 dabei. Und die Rahmenbedingungen im Clubhaus im Bekkamp 27 passten irgendwie dazu. Alles war schon reichlich betagt, sprühte aber auf diese Weise auch gewaltig Charme aus. Geradezu legendär waren die alten analogen Garde-Schachuhren mit Stempelaufdrucken der schon lange Zeit nicht mehr existenten Schachabteilung im Alt-Rahlstedter Männer-Verein.
Michael Welsh konnte als erster eine Gewinnstellung erarbeiten, nachdem Erich Maahs ein bisschen unmotiviert einen Springer gegen einen Zentrumsbauern geopfert hatte. Ich selbst kam im Symmetrie-Willie mit abgetauschten Läufer-Paaren recht gut aus der Eröffnung und konnte positionell einen Bauern gewinnen. Alvaro stand mit vollständiger Feldkontrolle sehr aktiv. Und nachdem mein Gegner sich sehr geschickt verteidigt hatte, musste ich die dreimalige Stellungswiederholung umsetzen. Michael sowie Alvaro gewannen, und so lagen wir mit 2,5:1,5 in Führung.
Jan Dawidzinski hatte gegen Peter Steen Nachteil, Michael Schuh stand gegen Andreas Liersch ausgeglichen, Maik Richter hatte im Match gegen Torsten Wehebrink eine aktive Stellung, und Marlon Fedke kam mit Schwarz gegen Günter Strenzke mit mindestens Ausgleich aus der Eröffnung.
Nachdem Jan verloren hatte, ging es in die Crunch-Time. Michael hatte nur knapp die Zeitkontrolle geschafft, ging danach aber in ein schwieriges Endspiel Turm-Springer gg. Turm-Läufer. Diese Partie sollte über die vollen fünf Stunden gehen.
Sensationell war der Auftritt von Marlon. Der spielte so souverän als hätte er schon jahrzehntelang in der Stadtliga gespielt. Nach einem taktischen Bauerngewinn behielt er die Kontrolle über Zentrum und Königsflügel und gewann letztlich durch Zeitüberschreitung des Gegners.
Die Partie von Maik ging in beiderseitige Zeitnot. Und da ging es dann drunter und drüber. Eine Zeit lang sah es so aus, als wäre alles verloren, aber Maik hat alles hinein geworfen und konnte letztlich mit seiner Dame die d-Linie bearbeiten und dann binnen weniger Züge die Partie drehen. Und das war dann auch der Siegtreffer! 4,5:2,5!
Letztlich konnte Michael das Endspiel nicht mehr halten, und mit einem dann doch recht verdienten 4,5:3,5-Sieg ging es auf den (weiten) Heimweg.
Das war ein unvergesslicher Wettkampf. Lange Zeit war es fraglich, ob wir überhaupt antreten können. Und dann haben wir mit einer bunt zusammen gewürfelten Mannschaft einen sagenhaften Sieg einfahren können.
Sowas gibt es nur beim FC St. Pauli!