Lübecker SV - St.Pauli II 4 : 4
Eigentlich haben beide Mannschaften gute Gründe mit diesem remis zum Oberligaauftakt zu hadern oder zufrieden zu sein.
Ich gebe einfach mal eine Kurzübersicht der einzelnen Bretter .
Brett 1 : Fabian Müller – Sergey Kalinitschew 0 : 1
In einem “Kalaschnikow”-Sizilianer (1.e4-c5 2.Sf3-Sc6 3.d4-cxd4 4.Sxd4-e5) opferte GM Kalinitschew im frühen Mittelspiel
mit d6-d5 einen Bauern. Die Kompensation schwankte während der nächsten Züge von nicht ausreichend bis ausreichend.
Nachdem Fabian dann aber den b-Bauern gewann, stand er mit 3 Freibauern am Damenflügel (b, c, d) auf Gewinn.
Der GM versuchte noch, im Trüben zu fischen ,er schob den e-Bauern bis nach e3 vor, schwächte die weiße Königsstellung mit h5, h4, hxg3.
Als aber dann auch noch der Bauer e3 fiel und Fabian die 1.Zeitkontrolle geschafft hatte ,schien der volle Punktgewinn sicher.
An einer Stelle zeigten die Engines “+19” für Weiß an. Fabian geriet dann wieder in Zeitnot, opferte die Qualität ,um den d-Bauern umwandeln zu können.
Selbst das hätte noch gewinnen sollen, aber dann stellte er einzügig die Partie ein .
Das war natürlich tragisch, mir ist so etwas leider auch schon ( nicht nur 1x) passiert ,ich weiß wie man sich dann fühlt, gerade im Mannschaftskampf.
Brett 2 : Harald Schmidt – Martin Voigt remis
In einer “Pirc-Verteidigung im Anzug” kam es schnell zum Damentausch. Nach 23 Zügen entstand ein “Doppelspringerendspiel” ,
wenig später wurde ein Springerpaar getauscht. Das Endspiel war faszinierend und schwierig, GM Karsten Müller hätte seine Freude daran.
Beide spielten auf Gewinn, die Stellung blieb aber immer im Gleichgewicht .
Das remis war dann ein folgerichtiges Ergebnis .
Brett 3 : Aleksandar Trisic – Joa Max Bornholdt 0 : 1
In einer Damengambit Abtauschvariante baute sich Aleksandar mit Sge2 und f3 auf,Schwarz spielte ein originelles Springer-Manöver ( Sb8-a6,c7,e6 und Sg5)
Beide hatten kurz rochiert. Der Vorstoß e3 e4 erwies sich in dieser Konstellation als Fehler (f3>f4 wäre bedeutend besser gewesen) ,Schwarz hätte mit dxe4 in Vorteil kommen können. Sein Springeropfer auf e4 hätte bei korrektem weißen Spiel zu einer laut Engine ausgeglichenen Stellung führen können aber Aleks übersah einen schwarzen Konter und
stellte praktisch im 18.Zug die Partie ein. Er kämpfte dann noch länger, aber Schwarz brachte den Punkt sicher nach Hause.
Brett 4 : Ralf Christ – Giso Jahncke remis
In einem klassischen Sizilianer (1.e4-c5 2.Sf3-d6 3.d4-cxd4 4.Sxd4-Sf6 5.Sc3-Sc6) spielte Ralf das als nicht so kritisch geltende 6.Le2.
Nach 6.- e5 kam es im frühen Mittelspiel zu einer Stellung ,in der Schwarz einfach ein Tempo mehr hat gegenüber einer Variante im Scheveninger, wo Schwarz erst e6 und später e5 spielt. Da gibt es übrigens eine berühmte Partie Karpov-Spassky (1.Partie aus dem Kandidatenzweikampf von 1974 !!). Spassky gewann diese Partie, verlor aber den Zweikampf sehr hoch. Giso konterte dann ein weißes g4-g5 mit dem Vorstoß d5-d4 und hätte mit 20.-Tfd8 Damentausch erzwingen können.
Das hätte ihm einen spürbaren Vorteil gegeben. Mit 21.-Kh8 verschenkte er ein Tempo ,tauschte dann nach 22.De2 die Damen und nahm ein remis-Angebot an.
Man hätte vielleicht noch ein wenig spielen können, aber Giso hatte an Brett eins schon den vollen Punkt für uns eingeplant.
Brett 5 : Rüdiger Breyther – Ullrich Krause 1 : 0
Eine Partie gegen den Präsidenten des deutschen Schachverbandes ist natürlich nicht alltäglich.
Vor der Partie stellten wir fest ,daß wir uns schon oft in Mannschaftskämpfen begegnet sind, aber noch nie eine Partie gegeneinander gespielt hatten.
In einer Tarraschvariante des Franzosen spielte Ullrich die Leningrader Variante (1.e4-e6 2.d4-d5 3.Sd2-Sf6 4.e5-Sfd7 5.Ld3-c5 6.c3-Sc6 7.Se3-cxd4 8.cxd4-Sb6)
Hellmut Reefschläger hat dieses System oft gespielt.
Ullrich baute sich am Damenflügel mit Ld7 ,a5,a4,Sc6,Sa5,Sac4 und Db6 auf. Ich hielt mit a3,Lc2 ,Sf4,Se3 und Tb1 dagegen.
Nach dem Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer stand Schwarz mit Kg8,Th8 ,Bf7,g6,h7 positionell schlechter.
Mit meiner Vorteilsverwertung war ich nicht zufrieden. Ich fand nichts besseres ,als einen Bauerngewinn, dadurch erwachte aber der weißfeldrige
schwarze Läufer wieder zum Leben. Ich hatte zwar ein viel chancenreicheres Scheinopfer gesehen, konnte das aber nicht zufriedenstellend durchrechnen.
Ich erhielt Angriff gegen den schwarzen König, er war inzwischen auf a8 gelandet und das schwarze Gegenspiel am Königsflügel war nicht so gefährlich, da die g-Linie geschlossen blieb.
Der Punktgewinn führte zum zwischenzeitlichen 2,5 : 2,5 Ausgleich
Brett 6 : Michael Ehrke – Jan Priebe 0 : 1
Das war die letzte noch laufende Partie. Lübeck führte 4 : 3 und eigentlich hatten wir uns schon mit einer Niederlage im Mannschaftskampf abgefunden.
Wie erwartet spielte Michael sein Londoner System, Jan antwortete mit einer Art Doppelfianchetto. Im frühen Mittelspiel war die Partie etwa ausgeglichen.
Es entstand folgendes Endspiel :
Weiß : Kg1,Dd4,Tc1 ,Bc4,f2,g3,h3 Schwarz : Kg8,Dc6,Ta2, Ba7,f7,g6,h7
Das sollte man als Weißer sicherlich nicht verlieren.
Das spätere Turmendspiel war remis, aber Michael opferte den Turm, um den c-Bauern umwandeln zu können.
Es entstand vor dem 63.Zug folgende Stellung :
Weiß : Kf5,Da1 Schwarz : Kg8,Ta6,Ba2,h2
Mit 63.Kg5 – h1D 64.Dxh1-a1D 65.Dd5+ hätte Weiß ein Dauerschach erzwingen können.
Michael zog aber 63.De5-a1D 64.Dd5+ – Kh7 und ab auf .
Doch noch ein 4 : 4 !!
Brett 7 : Andreas Mitscherling – Dirk Lampe remis
Die beiden haben sich sehr schnell auf remis geeinigt.
Das hatte 2 Gründe . Sie kennen sich schon ewig, da wollte keiner dem anderen wehtun .
Andreas fehlte es nach der letzten Saison etwas an Selbstvertrauen. Gegen einen starken Gegner ist dann ein remis-Auftakt kein schlechtes Ergebnis .
Brett 8 : Tom Linus Bosselmann – Guido Schleicher remis
Keine leichte Aufgabe für Guido gegen den Schleswig-Holstein Meister !
Guido spielte Caro Kann! Er hat in letzter Zeit sein Eröffnungsrepertoire komplett umgestellt bzw. erweitert!
Im 2-Springerspiel 1.e4-c6 2.Sc3-d5 3.Sf3 spielte Guido 3.-Lg4.Weiß kam mit Vorteil aus der Eröffnung aber Guido hielt den Schaden in Grenzen.
Nach dem doppelten Turmtausch um den 20.Zug rum war es Ausgleich und nach einem Fehler von Weiß landeten die beiden in einem gleichfarbigen Läuferendspiel
mit schwarzem Mehrbauern ! Hier fand Guido aber nicht das Beste und die Partie endete remis.
Unter dem folgenden Link hat Guido die Partie analysiert, er hat wohl einen Gewinn verpasst !
Besonders gefreut habe ich mich über ein Lob von Andreas, “Das man mit 71 Jahren noch mit so viel Kampfgeist am Brett sitzen kann ” .
Ein klein wenig niedergeschlagen war ich doch. Dann haben das jährliche Liften und die nächtlichen Gurkenmasken doch nicht so viel gebracht, schließlich bin ich doch erst jugendliche 69 Jahre alt!!
Rüdiger Breyther
P.S. Von der Seite https://ergebnisdienst.schachbund.de/bedh.php?liga=olnn
kann man die Oberligapartien als pgn-Datei runterladen.