Der Herbst ist da, das Wetter ist mies, aber dafür haben wir ja das richtige Hobby und manche auch die richtigen Kaltgetränke, einer bekannten Supermarktkette um die Ecke sei Dank. 😊
Zahlreiche Mitglieder und Fans unserer 1. Mannschaft fanden sich zum Saisonauftakt beim Gastgeber Norderstedt eben in Norderstedt ein. Unserer Mannschaft durften die Daumen gedrückt werden und ganz nebenbei konnte man viel Schach aus naher Distanz beobachten, weil auch unser Reisepartner HSK II parallel gegen Doppelbauer Kiel II spielte.
Hajos Aufruf fruchtete, es erschienen -für die recht weite Anreise- wirklich ungewöhnlich viele Schlachtenbummler (Mitglieder) zum zuschauen oder für einen kurzen Plausch. Gesehen habe ich neben unseren Vorständen Hajo, Jan und Punky-Thomas, die Jungs Thomas Hopmann, Peter Lasch, Alexander Eppler, Manni Woynowski, Horst Kruse, Andreas Mitscherling, Juergen Olschok und Albert Walke, dazu meine Wenigkeit als Berichterstatter und Besserwisser. Das wären schon 12 und da Heinz-Werner Szudra nur Schiri für das andere Match war, zählt der auch noch mit, also 13. Ich behaupte frech und ohne Rücksprache zur Steigerung der Statistik einfach mal, er wäre bestimmt auch ohne Schiri-Funktion gekommen. Hoffentlich habe ich keinen vergessen!
Norderstedt trat gegen unsere Erste mit einer stark ersatzgeschwächten Mannschaft an. Ich vernahm eine Erklärung im Sinne von „mit so einer starken Aufstellung von Euch hatten wir nicht gerechnet“. Oh je, letzte Saison trat die Erste tatsächlich ohne unsere GMs an, aber da gewannen wir auch 6,5 zu 1,5 gegen eine an den hinteren Brettern nominell schlechter aufgestellte Norderstedter Mannschaft. Norderstedt hat offensichtlich nicht geahnt, dass wir diesmal frühzeitig nichts mit dem Abstieg zu tun haben wollen und wer weiß, was passiert, wenn wir konstant so oder so ähnlich aufstellen können. Die Konkurrenz nach ganz oben (Kreuzberg/Tegel/Rüdersdorf) hat ja schon Federn gelassen.
Die Partie von unserem Brett 1 Bartosz Socko gegen Andrey Ostrovskiy habe ich gar nicht verstanden, dass lag weniger an meinem Schachverständnis, sondern daran, wie das Brett aufgebaut war. Das Brett war richtig gedreht, allerdings waren die Figuren falsch aufgebaut, Schwarz stand auf den weißen Reihen und umgekehrt. Beide Spieler nahmen brav gemäß Farbverteilung richtig ihre Plätze ein, schauten aber jetzt in die falsche Richtung. Nun rannten also die weißen Bauern gemäß Beschriftung von der 7. Reihe Richtung 1. Grundreihe, wie man da vernünftig mitschreiben kann, keine Ahnung, habe ich noch nicht probiert. Scheinbar hat es auch sonst niemanden gestört, die Partie wurde so bis zum Ende gespielt.
In den ersten 3 Stunden war noch nicht viel passiert, bis auf interessante Materialverteilungen bei Frank gegen Alfred Parvanyan (2 Leichtfiguren für Frank gegen Turm/Bauer) und Monica gegen Christian Michna, sie opferte einen Springer gegen 3 Bauern. Bei unserem Neuzugang Igor Janik im Spiel gegen Michael Kopylov saß ein Pfahl im Fleisch, also Ähnlichkeiten zur Struktur im Leningrader-System im Holländer. Schwarz hatte 2 Bauernketten, h7 bis f5 und e7 bis c5, und da mitten drin saß ein Bauer auf e6 und ein Springer auf d5, der alle Angriffsversuche auf den Bauern blockierte und gleichzeitig den Bauern e7 attackierte. Igor kreierte aber dank einer schwarzfeldrigen Dominanz viele dynamische Ideen, die die Stellung im Gleichgewicht hielt.
Ganz plötzlich stand es 3-0 für St.Pauli, Frank, Monica und Jonah gegen den lange nicht mehr spielenden IM Christian Joecks hatten gewonnen. An dieser Stelle noch einmal einen Gruß an Christian, schön dass er ab und zu wieder am Brett sitzen wird und nicht nur Sparringspartner von Rüdiger beim Backgammon bleiben wird.
Frank hatte seine Stellung echt gekonnt transformiert, also die 2 Leichtfiguren zurück gegen den Turm und Bauern getauscht und dabei 2 verbundene Freibauern am Damenflügel erhalten, von denen ein Bauer mit Hilfe des Läuferpaares zur Dame lief. Die gegnerischen 2 Zentrumsbauern waren nicht so dynamisch, also sehr gut von Frank eingeschätzt und berechnet und souverän vollstreckt. 1-0
Monicas verbliebener Springer tauchte durch alle Deckungen hindurch in die Stellung von Christian Michna ein und trug entscheidend zum Versenken der weißen Stellung bei. 2-0
Bei Jonah hatte ich einen entscheidenden Zeitpunkt verpasst. Bei meinem letzten Blick auf die Stellung hatte Jonah einen Mehrbauer, aber gewaltigen Druck gegen seine Königsstellung. Bei der Materialverteilung, beide DTT und ungleichfarbige Läufer, soll ja der Angreifer im Vorteil sein, insofern hatte ich da eine Kompensation für den Bauern gesehen. Als ich wieder auf das Brett schaute, waren beide Türme von Jonah auf der gegnerischen Grundreihe eingedrungen und drohten Matt. Die weißen Figuren standen alle rund um Jonahs Königsstellung und hatten keine vernünftigen Züge, einer sogar gefesselt, weil der König schlecht stand. 3-0
Kurz darauf folgten die Remisen von Igor und Benedict, der gegen Frank Hagenstein spielte. Hier technisches Remis, weil kein Material mehr zum mattsetzen vorhanden war. Ich muss leider gestehen, dass ich von der Partie wenig mitbekommen habe. In der nachträglichen Analyse von Benedict und seinem Gegner sah ich dann die Eröffnung, hier Aljechin-Verteidigung, 4-Bauern-Angriff. Die Variante, die Frank auf das Brett brachte, war mir nicht so geläufig, das hatte ich mir dann nachträglich anhand einer Partie Nakamura-Carlsen, bei der Nakamura eingestampft wurde, näher angeschaut. Spielt man das aber richtig und nicht wie Nakamura, dann sagt die Fishdose etwa +1.00. Aber zurück zum Spielstand: 4-1
Die verblieben 3 Partien zogen sich jetzt, niemand von uns stand auf Verlust, also stand für mich nur die Höhe des Sieges als Frage im Raum.
Can hatte einen Bauern mehr, musste aber bei Schwerfiguren mit ungleichfarbigen Läufern (siehe auch oben Jonah gegen Christian) die Aktivität von Schwarz neutralisieren. Irgendwann opferte Schwarz die Qualle gegen 2 Bauern und baute eine Festung auf. Die Partie zog sich weiter.
Aljoscha hatte gegen Suren Petrosian die klar bessere Bauernstruktur in einem Endspiel TLS gegen TLS und vielen Bauern, dazu hatte sich der schwarze Turm in der weißen Stellung verirrt und es drohte Qualle-Verlust. Irgendwie konnte sich Schwarz befreien und auch Aljoschas Bauernstruktur am Damenflügel beschädigen. Aus meiner Sicht bestand noch Hoffnung auf einen Sieg wegen der zerstückelten/vereinzelten schwarzen Bauern am Königsflügel.
Ich nutzte die Zeit für einen kurzen Smalltalk mit Monica und Igor, bei Monica interessierte mich natürlich der Gewinn der EM und 2 spezielle Partien. Die eine Partie in der 10. Runde, als sie total auf Verlust stand und die aus der Runde davor, wo sie eine total gewonnene Endspiel-Stellung ins Remis verdarb. Unser gemeinsames Fazit lautete, man braucht immer auch Glück, so ein Turnier zu gewinnen.
Zum oben titulierten Besserwisser wurde ich, als wir über die Partie von Aljoscha sprachen. Monica schätzte sie Remis ein, und ich warf ein, dass Aljoscha den Bauern auf h5 gewinnen kann und die Partie dann gewonnen sein könnte. Dem stimmte sie zu, sie war gerade nicht auf dem aktuellen Stand der Partiephase. Ich bleibe auch nur ein Besserwisser, am nächsten Tag habe ich dann meine eigene Partie in Lübeck im Endspiel ins Remis verdorben.
Ich versuchte anschließend immer noch zu verstehen, wer an Brett 1 welche Farbe spielt und in welche Richtung zieht. Ein Turmendspiel mit 2 Bauern, und hier schien sich der aktivere König von Bartosz den Sieg zu bringen. Kurz bei Monica Bescheid gesagt, dass er gleich gewinnen wird, da kam doch Freude auf 😊
5-1
Dem Igor stellte ich mich als die Nr. 20 im Team vor, der wohl nie spielen wird. Nachdem jetzt aber die Nr. 19 Thomas Kahlert am 2.Spieltag kurzfristig einspringen musste, bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Bei Aljoscha fiel dann tatsächlich der h5 und Suren verteidigte sich nicht mehr so hartnäckig. In der nachträglichen Analyse brauchten wir bei besserer Verteidigung eine Weile zum Gewinnweg, trotz 2 Mehrbauern im Turmendspiel. 6-1
Jetzt mühte sich nur noch Can um den vollen Punkt, und als wir ans Brett kamen, trauten wir unseren Augen nicht. Can hatte diverse Bauern eingestellt und damit kurz oder lang auch die Partie, gegen die kommende Bauernwalze war nichts auszurichten. 6-2
Kurz zu Kiel und HSK
Kiel spielte quasi mit einer Jugendmannschaft, 3 Spieler im Alter 20/21 weitere 4 deutlich jünger bis zum 12- oder 13-jährigen „Knirps“ (Magnus Ermitsch aus Berlin) an Brett 8, der schon FM ist und derzeit bei ELO 2277 steht. Ich hatte seinen Namen und von seinem Talent schon auf den YouTube-Kanälen gehört. Der 8. Spieler und ältere Herr, der auf mich eher wie der Herbergsvater oder Anstandswauwau der jungen Garde wirkte, war kein geringerer als der schon als legendär geltende Angriffsspieler und Großmeister Johnny Hector aus Schweden.
Nominell war Kiel besser besetzt, aber der HSK setzte sich mit einer Mischung aus Erfahrung und Jugend souverän und hoch mit 6-2 durch.
Liebe Grüße
Guido







